Laureus Sport for Good in Indien
Laureus Sport for Good Projekte gibt es in Ländern auf der ganzen Welt. Nicht überall ist wie in Deutschland eine eigene nationale Stiftung etabliert – aber überall setzen Laureus Förderprojekte den Sport ein, um das Leben von Kindern und Jugendlichen zu verbessern. So wird auch der Sport in Indien bei dem Projekt IMAGE genutzt, um Kinder mit physischen Behinderungen zu unterstützen. Bärbel Mees hat das Projekt mit SPORT1 besucht und erzählt über ihre ganz besonderen Erlebnisse vor Ort.
Doch wir sind nicht hier, um Jodhpur zu besichtigen, sondern um ein indisches Laureus Projekt zu besuchen. Ein Projekt der ganz besonderen Art: IMAGE unterstützt die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in die Gesellschaft. Ausgegrenzt, ignoriert, beschimpft und weggejagt werden – das ist oft Alltag für Kinder mit Behinderung in Indien.
Im Ansehen stehen sie in der Gesellschaft noch unter der untersten Kaste. Sie sind kurz gesagt ein NICHTS. Anders bei dem Laureus Projekt, das wir fünf Tage lang begleiten und filmen dürfen. Herauskommt eine Reportage über ein großartiges Projekt, über unglaublich engagierte Menschen und inspirierende Kinder.
IMAGE unterstützt Kinder mit physischen Behinderungen und ermöglicht es ihnen, kostenlos gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern im Internat zu wohnen und die Schule zu besuchen. Das Projekt bietet den Kids ein geschütztes Umfeld, in dem sie sich entwickeln können und lernen, trotz ihrer teils gravierenden Behinderungen ein möglichst selbstständiges Leben zu führen.
So auch die 20-jährige Sharda: Sie erkrankte als Kind an Polio und hat seitdem zwei gelähmte Beine. In der Schule sitzt sie in einem Rollstuhl – mit nach Hause ins Dorf und in die überfüllten Busse kann sie ihn aber nicht nehmen. Also kriecht sie mit angewinkelten Beinen und schiebt sich mit den Händen voran, die wegen des heißen Sands in Flipflops stecken. Insgesamt mit drei Bussen muss sie fahren, nur selten helfen ihr andere Menschen die Stufen in den Bus hinauf oder machen einen der beiden Plätze für Behinderte für sie frei.
Reisen ist für Menschen mit Handicap in Indien sehr mühsam. Oft genug muss Sharda inmitten der stehenden Menschen auf dem Boden sitzen, während ein- und aussteigende Fahrgäste über sie hinwegsteigen. Häufig fahren die Busse auch einfach an den behinderten Kids vorbei, die an der Haltestelle warten – das Einsteigen dauert den Fahrern zu lange.
Umso großartiger ist das Highlight unseres Besuchs: ein Cricketmatch zwischen den Busfahrern und den Projektkindern, das dazu beitragen soll, Vorurteile und Berührungsängste abzubauen und Toleranz zu schaffen. Und ein Filmregisseur hätte das Drehbuch für das Spiel nicht besser schreiben können: Mit dem vorletzten Wurf dreht das IMAGE-Team das Match und gewinnt gegen die Busfahrer.
Die über 500 Kinder aus den umliegenden Dörfern, die für das Spiel in Bussen nach Jodhpur gebracht wurden, rennen auf das Feld, Janagk Singh, der Kapitän des Teams, wird von der Menge durch das Stadion getragen und erhält zudem die Trophäe als „Man of the Match“.
Noch vor einem Jahr wollte sich Janagk bei einem Tryout für die lokale Cricketmannschaft bewerben und wurde aus eben diesem Stadion geworfen, weil er behindert war – und nun führt er sein Team zum Sieg: Gänsehautfeeling pur!
Das Match verdeutlicht, wie gut das Konzept von IMAGE aufgeht. Und was im Kleinen bei IMAGE begonnen hat, zieht nun immer größere Kreise. Seit zwei Jahren besuchen die behinderten Kinder aus dem Projekt die umliegenden Dörfer und halten dort „Community Sessions“ mit den Kids ab.
Sie erzählen von ihrem Projekt und ihrem Leben, bringen den Kindern Bildung und Hygiene bei und treiben mit ihnen Sport.
Wir sind bei einer solchen Community Session dabei und sehr beeindruckt, mit welcher Selbstsicherheit und Souveränität die Projektkinder ihre Gruppen leiten und ihr Wissen an die Dorfkinder weitergeben.
„Anfangs wurde ich von den Kids als ‚Krüppel‘ bezeichnet, inzwischen sprechen sie mich mit ‚Sir‘ an und unterstützen mich bei meinem Unterricht,“ so erklärt Suresh, der später in die Politik gehen und Bildungsminister werden möchte. Ein großer Traum für einen Jungen mit nur einem Arm in Indien – aber seine Zielstrebigkeit beeindruckt mich. Von Unsicherheit oder fehlendem Selbstbewusstsein keine Spur.
Sport in Indien beim Laurues Projekt IMAGE: „Educating hearts as well as minds“
„Educating hearts as well as minds“ steht auf einem Schild in der Schule. Die Herzen ebenso erziehen wie die Köpfe – das schafft IMAGE auf ganz beeindruckende Weise.
Besonders berührt hat mich Shyam Lal. Der 20-jährige wurde im Alter von acht Jahren von einem Motorrad angefahren und verlor ein Bein. In der Werkstatt von IMAGE, die gespendete Prothesen recycelt und passende für die Projektkinder herstellt, bekommt er während unseres Aufenthalts eine neue Gehhilfe angepasst.
Als er sich sein künstliches Bein umschnallt und das erste Mal wieder auf beiden Beinen steht, breitet sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. Ich lächle unwillkürlich mit. „Ich habe so lange auf mein Bein gewartet. Jetzt ist es endlich da“, sagt er noch, bevor er aus der Werkstatt spaziert.
Solche Momente zu erleben und die Freude der Projektkids zu teilen, machen meine Arbeit so erfüllend und zeigen, dass die Laureus Idee aufgeht:
Sport kann die Welt verändern. Und wenn es nur die Welt von Sharda, Suresh und Shyam Lal ist.
Autorin: Bärbel Mees ist seit 2011 für die Kommunikation und das Fundraising der Laureus Sport for Good Foundation in Deutschland und Österreich zuständig. Bei ihren Vor-Ort-Einsätzen ist sie immer wieder beeindruckt, was sich alles mit der Kraft des Sports bewegen lässt – und wie sehr er die Menschen verbindet. Eben getreu der Laureus Mission: „Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern.“