Manuel Reuter: „Das Wichtigste ist, an sich zu glauben!“

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26.08.2020

Motorsport-Legende und Laureus Sport for Good Botschafter Manuel Reuter unterstützt die Stiftung bereits seit mehreren Jahren auf unterschiedlichste Art und Weise. Zuletzt wurde zugunsten der Stiftung sein Mercedes-Benz 190E verlost und so Spenden von rund 35.000€ eingenommen. Im Interview erzählt er, was ihn zu seinem sozialen Engagement antreibt und spricht über eigene Erfahrungen, bei denen der Sport ihm geholfen hat.  

Herr Reuter, seit 2017 sind Sie Laureus Sport for Good Botschafter und haben sich auch schon davor für die Stiftung durch Ihre Funktion im Triathlon-Team Sport for Good eingebracht. Woher stammt Ihr soziales Engagement?

Manuel Reuter: Wenn man, wie ich als Rennfahrer, Erfolg hat, steht man natürlich auf der Sonnenseite des Lebens und es geht einem gut. Aber über den Sport lernt man auch, durch Täler zu gehen. Deswegen habe ich den Erfolg auf eine besondere Art zu schätzen gewusst. Da ich allgemein in einer sehr privilegierten Situation lebe, ist es umso schöner, wenn man etwas zurückgeben kann.

Mir ist beispielsweise das Programmerlebnis mit dem Laureus Förderprogramm move&do während der letztjährigen Tour Laureus Sport for Good (Charity-Rennradtour, Anm. d. R.) noch im Kopf. Einer der Programmteilnehmer hat seine Geschichte erzählt und war ein so tolles Beispiel. Er ist zu dem erlebnispädagogischen Sozialprogramm gekommen und betreut dieses mittlerweile sogar selbst mit. Es ist besonders toll, wenn du siehst, wie er sich gefangen und entwickelt hat und wie er jetzt selbst für das Programm brennt. Jeder einzelne Programmteilnehmer ist es wert, sich für Laureus Sport for Good zu engagieren. So jemanden persönlich kennenzulernen und diese Motivation zu erleben, ist wirklich beeindruckend.

Was war für Sie der größte Rückschlag und wie sind Sie aus dieser Situation wieder herausgekommen?

Quelle: Marc Stickler

Reuter: Ich denke, der Prägendste für meine Frau und mich war 1985. Damals bin ich Formel 3 gefahren und habe mir die Saison mithilfe von Krediten finanziert, da es mit Sponsoren nicht sonderlich gut lief. Während des zweiten Saisonrennens auf dem Flugplatz in Erding bin ich über eine Landelampe gefahren und habe mir den Fuß gebrochen – das rechte und linke Fersenbein waren kaputt, das Auto hatte einen Totalschaden. Während ich im Krankenhaus lag, hat das Team gleich die Rechnung für die Reparatur gestellt. Das Ganze war natürlich nicht gedeckt und ist aufgeflogen. Ich hatte relativ hohe Schulden und konnte in dem Jahr nur noch ein Rennen fahren. Somit wusste ich also gar nicht wie ich die Schulden zurückzahlen soll und ob es überhaupt weiter geht. Am Jahresende konnte ich dann für Ford bei der heutigen DTM ein Rennen fahren. Zu diesem Rennen bin ich mit Krücken zum Auto gehumpelt und wusste: Wenn du hier heute eine Chance hast, musst du sie nutzen. Es hat geklappt und ich konnte glücklicherweise das Rennen gewinnen. Im Jahr darauf bekam ich einen Vertrag, verdiente Geld und konnte meine Schulden zurückzahlen.

Diese Zeit damals war wirklich nicht einfach. Doch sie war prägend. Wir wohnten auf zwölf Quadratmeter im Studentenwohnheim. Abends musste ich immer meine Isomatte ausrollen. Deswegen kenne ich die andere Seite nur zu gut und aus diesen Niederlagen lernt man am meisten – wieder aufzustehen, seine Ziele vor Augen zu haben, fokussiert zu sein und einfach auch daran zu glauben.

Was würden Sie für solche Situationen den Kindern aus den Laureus Förderprogrammen mitgeben?

Reuter: Ich denke, man kann viele große Sportler fragen und alle werden einem sagen, dass sie aus den Niederlagen am meisten gelernt haben. Nach einem Sieg ist alles toll – da lernt man nicht viel.

Man muss die richtigen Schlüsse ziehen, um aus Niederlagen gestärkt hervor zu gehen, sich nicht entmutigen zu lassen und aufzustehen. An sich zu glauben ist das Wichtigste. Das gilt für alle, egal ob im Sport oder im Beruf.

 Sie haben über den Kartsport als Jugendlicher die Passion für den Motorsport entdeckt. Gab es jemanden, dem Sie in jungen Jahren nachgeeifert haben?

Reuter: Mein Kartfahren in den 70er-Jahren ist nicht vergleichbar mit der heutigen Zeit. Heutzutage meint jeder, wenn ein Mädchen oder ein Junge ein bisschen Talent hat, gleich den neuen Schumacher oder Vettel gefunden zu haben.

Für mich war es einfach nur die Liebe zu dem Sport. Irgendwann bekam ich mit, dass man Rennen fahren kann und danach ging es über den Kartsport hinaus. Doch ich hatte nie die Bestrebung es professionell zu betreiben oder ein Vorbild zu haben. So etwas gab es damals nicht. Rückblickend kann man sagen, dass ein Ayrton Senna oder ein Michael Schumacher den Motorsport geprägt haben. Doch zu der damaligen Zeit, als ich angefangen habe, gab es diese auch noch nicht. Daher hatte ich nie ein klassisches Vorbild. Ich bin einfach meinen Weg gegangen.

Auf Ihrer Website zählen Sie akribische Vorbereitung, Kompetenz, Konsensfähigkeit und das richtige Team als Schlüsselfaktoren für Erfolg auf. Welcher Faktor war der Prägendste für Sie und warum?

Quelle: HCB Rutronik Racing

Reuter: Ich bin seit letztem Jahr sportlicher Leiter in einem neuen GT Team. Das Team hat zwar eine Historie im Gentleman Bereich, doch nicht in der ersten Liga der Supersportwagen. Am letzten Rennwochenende der vergangenen Saison haben wir die Teammeisterschaft gewonnen, das Wochenende davor die Fahrermeisterschaft. Es ist schon etwas Besonderes, wenn man als neues Team in die Rennserie einsteigt und gleich zwei Meisterschaften gewinnt. Hierfür sind die aufgezählten Werte entscheidend gewesen. Es war eine neue Truppe, doch wir haben uns vom Grundspirit sehr in diesen Werten geähnelt.

Das macht einen stolz auf das ganze Team. Egal ob Mechaniker, Monteur, Caterer usw. – alle sind Meister. Denn wenn einer einen gravierenden Fehler macht, funktioniert das ganze Gebilde nicht mehr. Du als Fahrer stehst zwar alleine auf dem Podest, da du das Rennen gewonnen hast. Doch ohne die vielen Menschen im Hintergrund geht es nicht. Gerade im Motorsport ist die Komponente TEAM extrem wichtig. In kaum in einer anderen Sportart kommt es so sehr darauf an, dass so viele Menschen in die gleiche Richtung rudern und einen Konsens finden.

Aber dies ist nicht selbstverständlich. Im Motorsport gibt es teilweise schwierige Persönlichkeiten. Top Ingenieure oder auch Chefmechaniker können schon mal etwas exzentrisch oder divenhaft auftreten. Außerdem kommen viele unterschiedliche Nationalitäten und Mentalitäten zusammen. Man träumt davon, dass man dies alles zusammenbringt. Wenn das dann funktioniert, ist es einfach großartig.

In den Laureus Förderprogrammen wird das Thema „Geschlechtergleichheit“ gefördert. Wie sehen Sie hier die Entwicklung in der Motorsport-Branche? Sie haben mit Carrie Schreiner die einzige weibliche Starterin im gesamten ADAC GT Masters Fahrerfeld im Team. Wird man in Zukunft mehr Frauen hinter dem Lenkrad eines Rennboliden sehen?

Reuter: Motorsport ist auf jeden Fall noch eine Männerdomäne. Aber es gibt durch Initiativen in verschiedenen Bereichen Bestrebungen, diese Strukturen aufzubrechen. Carrie Schreiner ist bei uns die einzige Frau. Wir haben aber auch My Lind im Team. Sie ist Schwedin und eine absolute Top Mechanikerin, die sogar die Qualität hat, bald als Number One Mechanican ein Auto vorzubereiten. Auch dort sind wir relativ weit vorne.

Für mich gibt es im Grunde keine objektiven Argumente, warum Frauen nicht schnell sein können. Physisch ist es nicht das Thema. Gerade durch das, was man heutzutage alles weiß, können sie physisch genauso stark sein wie Männer. Es gibt Mädchen, die richtig Talent und die richtigen Ansätze haben, doch wenn man tausend junge Burschen und lediglich zehn Mädchen hat, dann ist es klar, dass die Burschen mehrheitlich immer stärker sein werden. Es braucht einen größeren Pool an Fahrerinnen und sie müssen früher und besser gefördert werden.

Teilweise ist man hier aber zu blauäugig. Wenn man an so einem Rennwochenende, wie beispielsweise bei den GT Masters, mit über 30 Autos und somit mit 60 Fahrern bei der Fahrerbesprechung als einzige Frau dabeisteht – 60 Machos, die denken, die besten Rennfahrer zu sein – dann ist es etwas hart. Dann darf man sich nicht einschüchtern lassen, sondern muss denken: Auf der Rennstrecke nehme ich sie auseinander. Der Profisport ist auf eine gewisse Art und Weise unbarmherzig und gnadenlos. Doch wenn man sich dem stellt, muss man wissen, auf was man sich einlässt. Und je besser man sich auf dieses Worst Case Szenario im Kopf vorbereitet, umso besser kann man damit umgehen. Man hat auf der Rennstrecke keine Freunde. Da draußen ist, überspitzt gesagt, Krieg und wenn du hinter einer Frau fährst, ist es für jeden männlichen Fahrer die Höchststrafe. Genau dann wird noch einmal härter gefahren. Als Fahrerin muss ich das wissen und darauf vorbereitet sein. Einfach ist das nicht.

Beruflich haben Sie aktuell mehrere Projekte parallel laufen. Wie können Sie solch ein Pensum stemmen?

Reuter: Papier ist geduldig. (lacht) Z.B. zum Triathlon: Ich habe dieses Jahr keinen Wettbewerb gemacht, da die Zeit und die Wochenenden immer weniger werden. Doch dafür habe ich an einem Berglauf teilgenommen. Trail Running – das ist auch sehr spannend.

Es ist wie so oft: Man muss die richtigen Leute um sich haben, das richtige Team, das richtige Umfeld. Dann funktioniert es, mehrere Projekte gleichzeitig zu meistern. Man muss ja nicht alles selbst machen. Zudem habe ich eine Frau, die das alles mitmacht, tatkräftig unterstützt und die den ein oder anderen genannten Bereich verantwortet und auch umsetzt. Wir beide bilden dann auch wieder ein gutes Team, eine starke Partnerschaft. Es gibt den blöden Spruch: Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau. Ich denke, da ist schon etwas dran. Wir kennen uns schon seit Mitte der 80er Jahre und sie hat mit mir das zu Beginn beschriebene Tal durchlaufen. Ich denke, das hat uns auch geprägt und zusammengeschweißt. Umso schöner ist es, dass es heute auch noch so funktioniert.

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On August 26, 2020
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