„Hauptsache, den Kids geht es gut!“

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29.10.2019

Mein erster Projektbesuch als Praktikantin bei Laureus Sport for Good sollte gleich ein ganz Besonderer werden, denn es war keine normale Trainingseinheit für die Mädels aus dem Mädchenfußballprojekt Kicking Girls: Sie durften von der Spielerin zur Trainerin werden. Dementsprechend lag eine kribbelige, von Vorfreude und Stolz gespickte, Stimmung in der Luft, als ich morgens um 9 Uhr die Turnhalle in München betrat. Im Vorfeld hatte ich natürlich schon viel über das in ganz Deutschland stattfindende Fußballprojekt erfahren.

An mehr als 270 Schulen kicken wöchentlich 4.800 Mädchen, die es im Alltag aus verschiedensten Gründen nicht immer einfach haben. Die Mädels aus sozial benachteiligten Umfeldern können so ein Interesse für Sport und Bewegung entwickeln, stärken ihr Selbstbewusstsein und werden in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützt. Das Projekt sieht vor, dass sich Mädchen, welche selbst in einer AG an dem Fußballtraining und den diversen Turnieren teilgenommen haben, im Alter von 14 bis 17 Jahren zu einem Coach ausbilden lassen. So können sie die gesammelten Erfahrungen und Erlebnisse an jüngere weitergeben.

Genau eine solche Coach-Ausbildung habe ich mir angeschaut. Besser gesagt, einen Teil davon. Am Vortag haben die Mädels eine Menge Fußball-Theorie büffeln müssen, berichteten sie mir. Von Taktikmanövern über Aufwärmspiele und Trainingsgestaltung bis hin zum Erste-Hilfe-Kasten war alles dabei. Eine der Coaches erzählte mir, dass sie es besonders nützlich fand, zu lernen, wie man mit einem Kind umgeht, das sich verletzt hat und weint: „Das ist super zu wissen – auch außerhalb des Fußballplatzes.“. Die Mädchen scheinen am Vortag, oder vielleicht auch in ihrer gesamten Zeit bei den Kicking Girls, eine Menge Erfahrungen gesammelt zu haben. Sie antworteten nämlich auf meine Frage, was denn das Beste sei, was sie in dem Fußball Projekt gelernt haben, alle durcheinander und konnten sich gar nicht entscheiden. Ich schaute in viele fröhliche, junge Gesichter.

Noch bevor die Schulglocke den Beginn des Tages einläutete, versammelten sich die Coaches in der Mitte der Halle und baten die fünfte Klasse, die heute zur Probe durch eine Trainingsstunde geleitet werden sollte, zu sich. Wie selbstverständlich hießen vier von den insgesamt 28 „Coaches in Ausbildung“ die Schulklasse willkommen. Ich konnte sehen, dass sich die Hände hinter dem Rücken des einen Mädchens fest zusammendrückten – ein bisschen Nervosität war also doch da. Ganz souverän und ohne dass man ihr die Aufregung anmerken konnte, erklärte sie das Aufwärmspiel. Eine Abwandlung von Feuer-Wasser-Sturm – ein Spiel, welches ich aus meinen Schultag noch in sehr guter Erinnerung habe. Die Schulklasse wuselte  durch die Halle und musste bei bestimmten, vorgegebenen Kommandos reagieren und eine Aufgabe erfüllen. Die Halle war erfüllt von Lachen, Zurufen und dem Quietschen der Schuhe.

Anschließend ging das Training richtig los. Die Mädchen hatten im Vorhinein vier Stationen aufgebaut, welche die Klasse nun in kleinen Gruppen durchlaufen sollte. Von Torwand-Köpfen über Fußball-Kegeln war alles an Übungen mit Spaß- und Lern-Faktor dabei. Ich konnte hören und sehen, dass alle Kinder und Jugendlichen in der Halle Spaß hatten und motiviert mitmachten oder anfeuerten – egal ob sie Fußball als ihre Lieblingssportart bezeichnen oder nicht. Die Begeisterung der jungen Coaches steckt sichtlich an – auch mich.

Schnell fiel mir auf, dass, obwohl der Altersunterschied zwischen den Trainierten und den Trainierenden nicht sehr groß ist, den Coaches die ungeteilte Aufmerksamkeit gebührte und auch alles nach deren Anweisungen ablief. Vor diesem Tag hätte ich mir nicht vorstellen können, dass sich mehr als 50 Kinder in einer Turnhalle so friedlich und mit so viel guter Laune und Respekt selbst beschäftigen können.

Natürlich hatten die Coaches vorher so einiges an Tipps und Tricks von ihren Coach-Ausbilderinnen Judith und Imke gelernt, die sich beide seit Jahren mit Herzblut bei den Kicking Girls engagieren. In einem Gespräch mit den beiden konnte ich direkt spüren, wie sehr ihnen das Projekt am Herzen liegt und wie viel Fleiß, Ideen und Zeit nicht nur die beiden, sondern auch der hauptberufliche Projektleiter Hannes in die Kicking Girls stecken. Als Team haben sie den Anspruch, dass alles, was sie tun und vorhaben, das Beste für die Kinder sein muss. „Hauptsache, es geht den Kids gut“, sagen sie.

Nachdem alle Kids die Stationen durchlaufen hatten, kamen wir zur zweiten Einheit des Trainings. Es wurden zwei Mannschaften gebildet, die wiederum in Zweier-Teams, bestehend aus einem Coach und einem Fünftklässler/-in, aufgeteilt und nummeriert wurden. Ausgestattet mit einem Leibchen verteilten sich die Teams am Spielfeldrand. Nun wurden willkürlich ein oder zwei von den Team-Nummern aufgerufen, welche dann schnellstmöglich versuchen sollten, den Ball in das gegnerische Tor zu schießen. Dieses Spiel war wie eine Feuerprobe für die Coaches: Das wilde Durcheinander, die lauten Anfeuerungsrufe und der feurige Siegeswillen beider Mannschaften hätten schnell in einem Chaos enden können. Doch trotz der angeregten Stimmung in der Halle hatten die Coaches alles im Griff und dabei eine Menge Spaß. Wer das Spiel dann letzten Endes gewann, war für keinen mehr wichtig.

Zum Abschluss versammelten sich Kids und Coaches wieder in einem Sitzkreis und bewerteten die Stunde. Das Feedback der Fünftklässler war durchweg positiv – natürlich hätten alle gern noch weiter gespielt.

Als ich mich von allen verabschiedete, blieb mir die Aussage der Konrektorin von der Schule, an der wir den Tag verbracht hatten, im Kopf: „Die Mädchen lernen damit umzugehen, dass es nicht immer leicht ist mit anderen zusammenzuarbeiten und einer Meinung zu sein – es braucht manchmal Biss, um trotzdem als Team zu funktionieren. Ich habe den Eindruck, dass die Mädels nach dem Tag heute sehr stolz und sich auch ihrer Verantwortung ein Stückchen mehr bewusst sind“.

Bildquelle: Heller/Laureus

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On Oktober 29, 2019
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